<p>20 Jahre dauern im Schnitt Bauvorhaben auf der Schiene. Aber wieso geht eigentlich so viel Zeit ins Land? Hier erfahren Sie mehr.</p>

Wieso dauern Bahn-Bauprojekte eigentlich so lange?

18.11.2020

Große Bauvorhaben in Deutschland dauern oft sehr lange. Durchschnittlich 20 Jahre beträgt die Zeit vom Planungsbeginn bis zur Inbetriebnahme von Neu- und Ausbauprojekten auf der Schiene. Sichtbar werden Bauvorhaben vor allem dann, wenn gebaut wird. Das führt in der Öffentlichkeit zu der weitverbreiteten Annahme, dass gerade das Bauen einen Großteil der gesamten Realisierungszeit eines Projektes ausmacht. Doch der Schein trügt.

Was die wenigsten wissen: Wenn auf der Baustelle die Bagger rollen, hat ein Bauprojekt auf der Schiene schon den Großteil seiner Gesamtrealisierungsdauer hinter sich. Denn die Bauphase macht oft nur einen kleinen Teil eines Projektes aus. Der Löwenanteil entfällt auf die Planungs- und Genehmigungsprozesse. Aber wieso ist das eigentlich so?

Jedes Bauvorhaben auf der Schiene gleicht einem Marathon

Die Gründe sind sehr vielschichtig. Zunächst macht ein dichtes Regelwerk in Deutschland das Planungsrecht zu einem „dicken Brett“, gerade im Bereich der Infrastrukturvorhaben. Insgesamt rund 20.000 Bauvorschriften zählte zum Beispiel der Deutsche Städte- und Gemeindebund, und die machen ein Bauprojekt zu einem wahren Marathon. Ein Marathon, dem sich die Planer der Deutschen Bahn (DB) und der Aufgabenträger Nahverkehr Rheinland (NVR) bei jedem Bauprojekt auf der Schiene neu stellen müssen. Denn vor dem ersten Federstrich zu einem Projekt steht immer dieselbe Gewissheit: Jedes Projekt ist einzigartig und hält seine Überraschungen bereit. So kann es bei Großprojekten mit langer Vorlaufzeit passieren, dass sich „unterwegs“ die rechtlichen Rahmenbedingungen verschieben und die Planungen komplett angepasst werden müssen. Dies erfordert viel Zeit und auch Geduld.

Abstimmung mit der Politik zentral für jede Planung

Bei jedem Projekt entfällt ein großer Anteil der Gesamtdauer auf die Planungen. Die ist anfangs grobmaschig und wird dann Schritt für Schritt verfeinert und fortlaufend angepasst. Das ist zum Beispiel immer dann notwendig, wenn die Planungen durch neue Erkenntnisse über die Gegebenheiten vor Ort nicht mehr so funktionieren wie ursprünglich gedacht. Diese Anpassung können langwierige Abstimmungsprozesse zwischen den beteiligten Stakeholdern mit sich bringen, bei denen gemeinsam nach tragfähigen Kompromissen gesucht wird. Dabei spielen gerade betroffene Landkreise und Kommunen eine maßgebliche Rolle. Denn Bahnprojekte berühren in der ein oder anderen Form immer kommunale Belange. Baut die DB etwa am Bahnhof in exponierter Innenstadtlage, so verändert dies auch das „Gesicht“ der Stadt. Die Kommunen haben die Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger im Blick und wollen als Betroffene vor Ort in ihrem Sinne Einfluss auf die Planungen nehmen. Infrastruktur soll hier nicht nur zweckmäßig, sondern auch architektonisch ansprechend und repräsentativ sein. Die DB ist hingegen generell dazu angehalten, funktional und kostengünstig zu planen. Bis für alle Seiten eine zufriedenstellende Lösung gefunden ist, kann mitunter einige Zeit vergehen, die die Planungen weiter in die Länge ziehen.   

Auch wecken Neubauprojekte oft den Wunsch, vorhandene Bauwerke im gleichen Zuge zu modernisieren. Ein Beispiel ist der Bau der neuen Siegbrücke zwischen Troisdorf und Sankt Augustin für die S 13. Dort läuft der Eisenbahnverkehr bisher über eine Stahlbrücke aus den 1950er- bzw. 60er-Jahren. Diese verrichtet für den Güter- und Regionalverkehr sicher ihren Dienst, ist allerdings relativ laut. Für die S 13 sollte eine weitere Brücke direkt an das vorhandene Bauwerk gesetzt werden. Es brauchte lange Verhandlungen zwischen den Anrainer-Kommunen, dem Rhein-Sieg-Kreis und der DB, bis eine gute Lösung gefunden wurde, die auch der strengen Kontrolle der Genehmigungsbehörden standhielt. Im Ergebnis wird die alte Brücke „entdröhnt“, durch eine neue Brücke ergänzt und der Verkehr smart auf die Gleise verteilt.

Planfeststellungsverfahren großer Zeitfaktor für den Schienenausbau

Mit Blick auf die Gesamtrealisierungsdauer von Bauprojekten auf der Schiene entfällt ein sehr großer Anteil auf das sogenannte Planfeststellungsverfahren (PFV). Dieses Genehmigungsverfahren muss jedes Bauprojekt durchlaufen, damit später gebaut werden darf. Über dieses Verfahren prüft das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) als Genehmigungsbehörde sehr genau, ob für das Bauprojekt Baurecht erteilt werden kann oder nicht. Hunderte Seiten, bestehend aus Gutachten und Plänen, werden dafür von der DB ausgearbeitet und übergeben. Während dieses Prozesses werden die Pläne auch öffentlich ausgelegt und betroffene Bürger und Interessensverbände haben die Möglichkeit, Einwände vorzubringen. Falls Einwände bestehen, muss sie das EBA prüfen, zwischen allen Interessen abwägen und Lösungen erarbeiten. Der Prozess kann sich schon ohne größere Streitpunkte über Jahre hinziehen. Kommt es darüber hinaus noch zu Interessenskonflikten, können bis zum Abschluss des Genehmigungsverfahrens etliche Jahre ins Land gehen.

Wird Baurecht erteilt, so ist ein großer Schritt im Genehmigungsverfahren geschafft. Doch Bauherren wissen: Baurecht heißt nicht auch Baugeld. Für die anstehenden Projektphasen muss ein Finanzierungsvertrag geschlossen werden. Die Verhandlungen zwischen Bund, Land und DB sind vielschichtig und können ebenfalls Monate oder gar Jahre in Anspruch nehmen, da es häufig um sehr viel Geld geht.

Ausschreibungen verlängern die Gesamtdauer beträchtlich

Wenn die Finanzierung und Baurecht geklärt sind, sucht die DB über öffentliche Ausschreibungen Firmen für die Bauausführung. Die Ausschreibungen werden sehr detailliert vorbereitet, die Anforderungen genau definiert. Bei teuren Bauvorhaben muss die Ausschreibung als Wettbewerb für Firmen aus ganz Europa konzipiert werden. Um die Aufträge diskriminierungsfrei zu vergeben, also keinen Bieter zu benachteiligen, muss sich die DB bei dem Auswahlprozess an genau vorgeschriebene Abläufe und Kriterien halten. Alles muss möglichst transparent und nachvollziehbar vonstattengehen. Die Kehrseite des Verfahrens: Es ist sehr aufwendig und kostet oft weitere Monate.

Trotz Risikomanagement bedroht Unvorhergesehenes immer den gesamten Zeitplan

Auch in der Bauphase können unerwartete externe Faktoren den gesamten Zeitplan durcheinanderwirbeln. So können trotz sorgfältiger Probebohrungen überraschend Gesteinsformationen ans Tageslicht kommen, die den Bau ungleich schwieriger und damit langwieriger machen. Oder während der Bauarbeiten werden archäologische Funde gemacht, die den Baufortgang verzögern. Durch solche Vorfälle kann selbst der großzügigste Risikopuffer aufgebraucht und die ursprüngliche Zeitplanung sowie Kostenkalkulation komplett gesprengt werden.

Frühe Bürgerbeteiligungen als Beschleuniger

Doch was kann getan werden, um Bauvorhaben auf der Schiene deutlich zu beschleunigen? Ein wichtiger Baustein für eine wirksame Planung ist die Beteiligung der Öffentlichkeit zu einem möglichst frühen Zeitpunkt wie es im Zuge des S-Bahn-Ausbaus der Erftbahn (RB 38/ S 12) bzw. dem Ausbau der S 11 erprobt wurde. Die Bürgerbeteiligungen haben jeweils weit vor dem Planfeststellungsverfahren stattgefunden. Auf diese Weise hatten Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, Einfluss auf das Projekt zu nehmen, noch bevor Grundlagenentscheidungen getroffen wurden, die später kaum noch veränderbar sind. Zum anderen kann dadurch viel Zeit gespart werden, da mögliche Eingaben während der Planfeststellung schon zu einem früheren Zeitpunkt in die Planung integriert werden können und nicht erst in langwierigen Verfahren durch das EBA geprüft werden müssen.

Einen wichtigen Beitrag hat zudem die Bundesregierung in diesem Jahr mit der Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes  geleistet. Es entlastet Kommunen finanziell, wenn der Schienenausbau auch städtische Brücken, Unterführungen oder Bahnübergänge betrifft. Kommunen mussten hier bisher oft ein Drittel der Kosten tragen. Das übernehmen künftig der Bund und das jeweilige Bundesland. Diese Neuregelung hilft den Städten nicht nur mit Blick auf die meist leeren Kassen. Zeitaufwendige Verhandlungsprozesse für den Schienenausbau lassen sich so abkürzen oder können entfallen.

Sie wollen wissen, wie Planung neuer Infrastruktur bei der DB genau funktioniert? Der kurze Film erklärt anhand eines einfachen allgemeinen Beispiels, wie die Phasen der Projektplanung ablaufen

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