<p>Mit der frühzeitigen Bürgerbeteiligung beim Ausbau der S 11 und der Erftbahn wurde Neuland betreten. Eine Aufgabe, die in der Projektkommunikation einige Herausforderungen mit sich bringt.</p>

Dolmetschen in Sachen Bürgerbeteiligung: Das Kommunikationsteam stellt sich vor

11.08.2021

Mit den Ausbauprojekten auf der S 11 und der Erftbahn hat das Land Nordrhein-Westfalen Neuland betreten: Nie zuvor wurden die Bürgerinnen und Bürger so frühzeitig und umfangreich in Bauplanungen auf der Schiene miteinbezogen. Im Spannungsfeld von Planungsrecht und Erwartungen der Öffentlichkeit organisiert ein buntes Team von Kommunikationsfachleuten die Bürgerbeteiligung. Ein Blick hinter die Kulissen.

„Herzlich willkommen, wie kann ich Ihnen helfen?“, fragt Verena Müller. Es ist Donnerstag, der 4. Juli 2019. Die erste Infomesse zum Ausbau der Erftbahn zwischen Bedburg und Horrem hat gerade begonnen. Verena Müller ist bei der DB Netz AG zuständig für Stakeholdermanagement und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Sie steht im Foyer von Schloss Bedburg und begrüßt einen älteren Herrn. „Guten Tag, ich hätte gerne gewusst, weshalb die Strecke der Erftbahn nicht gleich durchgängig zweigleisig wird, wenn man dort schon baut?“ „Nun, wir bauen das, was für einen stabilen 20-Minuten-Takt nötig ist“, antwortet Müller, „denn das ist der Auftrag des Nahverkehr Rheinland an uns. Durch eine Machbarkeitsstudie ist man zum Schluss gekommen, dass es ausreicht, die Erftbahn an zwei Abschnitten zweigleisig auszubauen. Wir sind angehalten, so umsichtig wie möglich mit Steuergeldern umzugehen. Deshalb bauen wir nicht mehr, als für den künftigen S-Bahn-Betrieb erforderlich ist. Aber folgen Sie mir bitte, ich stelle Ihnen jemanden vor. Der Kollege kann Ihnen im Detail erklären, wo wir zweigleisig ausbauen und weshalb das für den 20-Minuten-Takt ausreicht.“ Sie führt den Besucher der Infomesse vorbei am Arkadenhof des Schlosses in den Rittersaal, wo bereits einige Dutzend interessierte Bürgerinnen und Bürger die verschiedenen Infotafeln studieren oder in ein Gespräch mit Fachleuten vertieft sind. Verena Müller ist Teil des Projektteams, das für alle Kommunikationsaktivitäten rund um die Ausbauprojekte der S 11 und der Erftbahn verantwortlich ist – und damit auch für die diversen Bürgerbeteiligungsformate.

Porträtfoto von Verena Müller, zuständig für Stakeholdermanagement und Öffentlichkeitsarbeit in Köln bei der DB Netz AG
Verena Müller, zuständig für Stakeholdermanagement und Öffentlichkeitsarbeit in Köln bei der DB Netz AG (© Verena Müller)

Neue Wege gehen: Die frühe Bürgerbeteiligung auf der S 11 und der RB 38

Ebenfalls zum Projektteam zählt Bianca Achilles, Leiterin der Stabsstelle Rheinisches Revier und Regionale Kooperationen beim Nahverkehr Rheinland (NVR) / Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS). Sie erzählt: „Die Arbeit an diesen Projekten war für alle Beteiligten unbekanntes Terrain. Bei den Projektträgern – dem Land NRW, dem NVR und der DB – war von Anfang an der Wunsch da, neue Wege zu gehen und die Menschen möglichst umfassend in die Ausbauprojekte einzubinden.“

Bürgerbeteiligung ist bei Infrastrukturprojekten zwar gesetzlich schon lange vorgeschrieben, aber eben erst im Rahmen des sogenannten Planfeststellungsverfahrens. Das heißt, erst wenn die Planungen komplett abgeschlossen sind. „In diesem Projekt wollten wir den Bürgerinnen und Bürgern bereits während der Planungsarbeit einen Dialog ermöglichen, damit ihre Sichtweisen möglichst umfassend berücksichtigt werden können und nicht erst dann auf den Tisch kommen, wenn die wesentlichen Entscheidungen bereits getroffen wurden", erklärt Achilles.

„Ein großes Plus war von Beginn an die Diversität des Projektteams Kommunikation“, betont Bianca Achilles. Die einzelnen Teammitglieder haben ganz unterschiedliche Hintergründe, die von einer Tageszeitungsredakteurin, über einen Diplom-Geographen, einen Politologen und eine Klimaschützerin bis hin zum Verkehrsingenieur reichen. „Und ich bin auch noch Theaterwissenschaftlerin“, erzählt Achilles lachend. „Nach meinem Magister habe ich mich dann allerdings umorientiert und an der RWTH Aachen als wissenschaftliche Mitarbeiterin zum Thema Bürgerbeteiligung bei Verkehrsprojekten geforscht.“ Achilles sieht diese verschiedenen Perspektiven der Teammitglieder als großen Vorteil: „Wir stehen als Kommunikationsteam an der Schnittstelle zwischen Öffentlichkeit und den Fachleuten, die das Ausbauprojekt planen. Es ist ein großer Vorteil, wenn wir diese Vermittlungsaufgabe im Projektteam aus ganz verschiedenen Blickwinkeln angehen können – schließlich schaut auch die Öffentlichkeit aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf das Projekt.“

Porträtfoto von Bianca Achilles, Leiterin der Stabstelle Rheinisches Revier und Regionale Kooperationen beim NVR/VRS
Bianca Achilles, Leiterin der Stabstelle Rheinisches Revier und Regionale Kooperationen beim NVR/VRS (© Smilla Dankert/VRS)

Vollendete Planung versus frühzeitige Beteiligung

„Mit dem neuen Ansatz der frühzeitigen Beteiligung mussten wir zwei Welten in Einklang bringen“, erklärt Verena Müller von der DB. „Einerseits die Welt der Planenden, die mit komplexen Plänen und Modellen arbeiten. Hier sind Genauigkeit und Detailtiefe gefragt. Und andererseits die berechtigte Erwartung der Öffentlichkeit, möglichst früh und umfassend informiert zu werden. Die Krux dabei ist, dass man sich während der Planungsarbeit noch auf unsicherem Terrain befindet: Es gibt nicht den einen Zeitpunkt, zu dem alle Erkenntnisse vorliegen, die für die Planungsarbeit relevant sind.“ Dies ist ein dynamischer Prozess: Die Planerinnen und Planer starten mit den Grundlagen, doch im Verlauf kommen immer wieder neue Erkenntnisse aus Gutachten auf den Tisch, zum Beispiel zur Verkehrssituation oder zum Schallschutz. Die fließen dann wiederum in die Planungen ein und ändert sie gegebenenfalls. Vieles, was das Team der Öffentlichkeit zum aktuellen Planungsstand mitteilt, ist deshalb vorläufig und kann sich im Detail nochmal ändern. Das ist eine der größten Herausforderungen bei frühzeitiger Bürgerbeteiligung.

"Und Kommunikation ist keine Einbahnstraße,“ ergänzt Bianca Achilles. „Wir müssen der Öffentlichkeit auch aufzeigen, welchen Zwängen wir an vielen Stellen unterworfen sind, ob rechtlicher, finanzieller oder baulicher Art. Deshalb kann auch nicht jeder Wunsch der Bürgerinnen und Bürger in den Planungen berücksichtigt werden. Auch das muss man der Öffentlichkeit erklären. Eine Aufgabe, die nicht immer ganz leicht ist.“

Nach innen und außen gleichermaßen den Ton zu treffen, sehen Achilles und Müller als Hauptaufgabe des Kommunikationsteams. „Letztlich sind wir Dolmetscherinnen: von Planungsdeutsch in Alltagsdeutsch und zurück“, sagt Verena Müller. „Für unsere Fachleute in der Planungsabteilung ist das manchmal etwas anstrengend. Aber sie haben auch gemerkt, dass sie ihre Arbeit anschaulich erklären müssen. Wir bringen immer wieder die Frage ein: Versteht das auch jemand ohne Vorwissen und ohne Ingenieurstudium? Für diejenigen aber, die es ganz genau wissen wollen, stehen die Kollegen natürlich auch zur Verfügung. In unserer Position geht es vor allem darum, unvoreingenommen die Perspektive des Gegenübers einnehmen zu können."

Und mit Perspektivwechsel kennt sich Verena Müller aus. Während ihres Studiums zur Diplom-Volkswirtin hat sie sich mit dem Thema Umweltökonomie beschäftigt. Ins Berufsleben gestartet ist sie beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), es folgten Stationen beim Land NRW. „Den 360-Grad-Blick auf das Thema Klimaschutz habe ich mir dann beim Flughafen Düsseldorf und jetzt seit 2017 bei der DB Netz geholt“, erzählt Müller.

Wenn man Achilles und Müller nach ihrer Einschätzung fragt, ob frühzeitige Bürgerbeteiligung auch für kommende Schieneninfrastrukturprojekte mitgedacht werden sollte, ist die Antwort eindeutig: „Ganz unbedingt“, betont Bianca Achilles. „Wir alle betrachten das Modellprojekt als Erfolg. Im Zuge der Bürgerbeteiligung haben wir von den Bürgerinnen und Bürgern viele wertvolle Hinweise bekommen, u.a. wie der Zugang zu einem neuen Haltepunkt besser geplant werden kann oder an welchen Haltepunkten wir noch weiter in Richtung Barrierefreiheit denken müssen. Teilweise konnten wir dies noch in die Planungen aufnehmen. Die am Ausbauprojekt interessierten Menschen wiederum konnten den Projektverantwortlichen mal in die Augen schauen, ihre Sorgen und Anmerkungen direkt loswerden und haben gemerkt, dass sie durch ihre fundierten Ortskenntnisse wirklich Einfluss nehmen können. Und das ist es schließlich, worauf es ankommt: Wir bauen ja nicht zum Selbstzweck, sondern für die Fahrgäste und Menschen vor Ort. Das sehe ich als den Kern unserer Arbeit“.

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