<p>Im Westen Kölns stehen große Veränderungen an: Der Strukturwandel im Rheinischen Revier, aber auch der deutliche Ausbau der S-Bahn machen den Rhein-Erft-Kreis zu einem Zukunftslabor für die Klima- und Verkehrswende.</p>

„Die Erftbahn wird einen großen Attraktivitätssprung machen“

09.06.2021

Im Westen Kölns stehen große Veränderungen an: Der Strukturwandel im Rheinischen Revier, aber auch der deutliche Ausbau der S-Bahn machen den Rhein-Erft-Kreis zu einem Zukunftslabor für die Klima- und Verkehrswende. Maßgeblich mitgestalten werden diesen Prozess Landrat Frank Rock (CDU) und Uwe Zaar (Grüne), Dezernent des Kreises für Umwelt, Planung und Verkehr. Beide sind erst seit Ende beziehungsweise Mitte letzten Jahres im Amt. Im Interview geben Sie einen Einblick in ihre Pläne und die Rolle, die der S-Bahn-Ausbau darin spielt.

Herr Rock, lassen Sie uns zum Einstieg in die Zukunft schauen: Wie sieht das Rheinische Revier in 20 Jahren aus, wenn längst das letzte Braunkohlekraftwerk stillgelegt wurde?

Rock: Ich glaube, dass der Strukturwandel in 20 Jahren noch nicht komplett abgeschlossen sein wird. Aber wir haben den großen Vorteil, dass wir diesen Transformationsprozess progressiv, also geplant, angehen können. Denn wir fangen frühzeitig damit an und wir haben auch die nötigen Mittel zur Verfügung. Dabei haben wir ein Ziel vor Augen: Dass die Region auch in Zukunft ein wichtiger Energie- und Wirtschaftsstandort bleibt. Ein Schlüssel dafür sind gut ausgebildete Fachkräfte aus den umliegenden Berufsschulen und Universitäten, die nach ihrer Ausbildung gute Jobs bei uns finden und hier ihr Leben aufbauen können. Denn ich sage immer: Der Rheinländer soll im Rheinland bleiben.

Herr Zaar, als Leiter des Dezernats IV sind Sie nicht nur für den Bereich Verkehr, sondern unter anderem auch für Ökologie und Umweltschutz zuständig. Wie wichtig ist eine konsequente Klima- und Umweltschutzpolitik für den Strukturwandel in der Region? Und welchen Beitrag kann der Kreis leisten?

Zaar: Wir orientieren uns als Kreis an den ehrgeizigen Klimaschutzzielen der Europäischen Union, bis 2050 klimaneutral zu sein. Grundsätzlich werden der Rhein-Erft-Kreis und die ganze Region allein schon durch die Abschaltung der Braunkohlekraftwerke einen sehr großen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Aber damit geben wir uns natürlich nicht zufrieden: Beispielsweise forsten wir als Kreis auf und auch die Tagebaue sollen renaturiert werden. Und auch beim Strukturwandel nehmen wir den Klimaschutz in den Blick: So wollen wir insbesondere nachhaltig wirtschaftende Unternehmen in der Region ansiedeln.

Rock: An der Stelle ist es mir sehr wichtig, dass wir die Leistung der Bürgerinnen und Bürger im Rhein-Erft-Kreis würdigen, die im Tagebau und den Kraftwerken gearbeitet haben – und es teilweise immer noch tun. Sie haben in den letzten Jahrzehnten viel für den wirtschaftlichen Aufschwung geleistet – nicht nur für die Region, sondern für ganz Nordrhein-Westfalen und sogar für Deutschland. Jetzt müssen die Menschen mit dem Verlust des Braunkohletagebaus und dem Neuaufbau der heimischen Wirtschaftsstrukturen erneut sehr viel leisten. Aus meiner Sicht ist das der größte Beitrag zum Klimaschutz überhaupt.

Herr Rock, Sie haben eine „Attraktivitätsoffensive des ÖPNV” angekündigt. Welche Bedeutung hat dabei der geplante S-Bahn-Ausbau im Rhein-Erft-Kreis für Sie?

Rock: Wir wollen einen attraktiven ÖPNV für den Rhein-Erft-Kreis schaffen, damit unsere Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, ihr Auto stehen zu lassen. Wir merken: Wo wir attraktive Schienen- oder Busverbindungen anbieten, nehmen die Menschen sie auch an. Das gilt vor allem für den Süden des Landkreises, der schon über gute S-Bahn-Verbindungen verfügt und mit dem Ausbau der Eifelstrecke künftig noch besser angeschlossen wird. Mit den neuen S-Bahn-Verbindungen von Köln nach Bedburg und Mönchengladbach sowie der Revier-S-Bahn schaffen wir nun auch für den Norden des Kreises den großen Attraktivitätssprung.

Herr Zaar, welche Rolle spielen die künftige S 12, also die Erftbahn, und die weiteren S-Bahn-Projekte bei Ihren Plänen zur Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsmittel in ihrem Kreis – Stichwort Multimodalität?

Zaar: Eine große Rolle, da durch die künftig schnelleren S-Bahn-Züge mehr Haltestellen in einer höheren Taktung angefahren werden können. Die Haltestellen wollen wir, so wie über 100 weitere Knotenpunkte im ganzen Kreis, zu Mobilstationen ausbauen, an denen wir der Multimodalität sozusagen den roten Teppich ausrollen. Mobilstationen sind die Verknüpfungspunkte zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern. So konzipieren wir für diese Knotenpunkte ein kreisweites Fahrrad-Mietsystem. Außerdem wollen wir bald gemeinsam mit unserer Verkehrsgesellschaft REVG mit einem Modellprojekt für On-Demand-Verkehr starten. Aber wir möchten auch unser Bussystem weiter ausbauen, beispielsweise in den Tagesrandzeiten oder durch zusätzliche Schnellbuslinien, wie wir sie kürzlich zwischen Dormagen und Brühl und auch zwischen Elsdorf und Wesseling eingerichtet haben. Der neue Nahverkehrsplan, in dem diese Ziele festgelegt werden, soll demnächst erarbeitet werden.

Herr Rock, welche weiteren Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach von zentraler Bedeutung, um die Menschen in Ihrer Region zum Umstieg vom Auto auf die Schiene oder andere umweltschonende Verkehrsmittel zu motivieren?

Rock: Um die Menschen nachhaltig für umweltschonende Mobilität begeistern zu können, brauchen wir ein kluges, vernetztes System verschiedener Verkehrsträger. Wir müssen die Menschen abholen, wo sie sind und ihren individuellen Mobilitätsbedürfnissen bestmöglich Rechnung tragen. Klar, ein attraktiver ÖPNV mit guten Verbindungen oder WLAN, ist essenziell. Aber der Handwerker wird kaum auf sein Auto verzichten können. Wir wohnen ja nicht alle in der Kölner Innenstadt. Dann muss man eben schauen, wie auch das Auto einen Beitrag zum Umweltschutz leisten kann, durch Elektro-, Gas- oder vielleicht auch Wasserstoffantriebe. Ein weiteres wichtiges Thema ist der Fahrradverkehr für Jung und Alt, ob mit E-Bikes oder mit Pedelecs, das Angebot ist vielfältig und wir verfügen im Rhein-Erft-Kreis schon über eine gute Fahrradinfrastruktur. Diese werden wir sukzessiv erweitern und dort, wo es nötig ist, instandsetzen. Dafür haben wir auch im aktuellen Doppelhaushalt mehr Geld eingeplant.

Zaar: Um die Verkehrswende erfolgreich bewältigen zu können, ist es entscheidend, möglichst alle Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen, sie in die Projekte einzubinden und das so frühzeitig und umfangreich wie möglich. Insbesondere dann, wenn es um neue Schienenprojekte geht. Diese können an vielen Stellen mit den Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner kollidieren. Diese Sorgen müssen Gehör finden. Soweit ich das nachvollziehen kann, ist das bei der Erft-S-Bahn mustergültig aufgezogen worden. Wir haben ebenfalls einige Projekte vor der Brust, zum Beispiel die Stadtbahn von Köln nach Niederaußem, wo wir diverse Partizipationsmöglichkeiten schaffen wollen. Leider können zurzeit auf Grund der Corona-Pandemie keine größeren Vor-Ort-Termine stattfinden. Diese werden wir in der Zukunft wieder anbieten, ebenso wie Online-Möglichkeiten, um möglichst vielen Menschen die Mitsprache zu ermöglichen.

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