<p>S-Bahn-Projekte müssen nicht nur geplant und gebaut, sondern auch finanziert werden. Das ist der Job von Guido Trösser-Berg. Ein Porträt.</p>

Der Herr des Geldes

07.04.2020

Guido Trösser-Berg hat einen Traum: Das gesamte deutsche Schienennetz will er abfahren – jede noch so kleine Nebenstrecke zwischen Flensburg und Garmisch. In seinem Beruf sorgt er dafür, dass noch ein paar Kilometer Schiene dazukommen. Als Chef der Infrastrukturförderung Schienenpersonennahverkehr beim Nahverkehr Rheinland (NVR) ist er für die Finanzierung der Regional- und S-Bahn-Ausbauprojekte in Köln zuständig und passt auf, dass das Steuergeld auch dort landet, wo es hin soll. Woher das Geld für den Schienenausbau kommt, warum die Projekte oft teurer werden als zu Anfang geschätzt und wie Guido Trösser-Berg bei seinem großen Lebensziel vorankommt, erfahren Sie hier.

S-Bahn-Ausbauprojekte müssen nicht nur geplant und gebaut, sie müssen auch finanziert werden. Diese Finanzierung zu organisieren, ist die Kernaufgabe von Guido Trösser-Berg (55), Chef der SPNV-Infrastrukturförderung beim Nahverkehr Rheinland (NVR). Fragt man ihn selbst, sagt er als bescheidener Niederrheiner: „Ich verteile Geld.“ So einfach, so gut. Doch ein wenig komplizierter ist es dann schon.

Es gibt eine schwer überschaubare Zahl an Finanztöpfen auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene zur Finanzierung von Bahninfrastrukturprojekten: Die größten drei sind Mittel im Rahmen des Regionalisierungsgesetzes, des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes und des Bundesschienenwegeausbaugesetzes.

Die Regionalisierungsmittel werden einem Aufgabenträger wie dem NVR zum Teil als Eigenmittel vom Bund über das Land zur Verfügung gestellt. Diese Gelder sind in erster Linie für die Finanzierung des Betriebes bestimmt, können aber auch für die Finanzierung von Ausbauprojekten im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) herangezogen werden. Der SPNV beinhaltet den Regional- und S-Bahn-Verkehr, nicht jedoch den Fernverkehr, Straßenbahnen oder U-Bahnen. Ferner können über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) des Bundes SPNV-Projekte gefördert werden. Zu guter Letzt gibt es allgemeine Haushaltsmittel des Bundes für die Finanzierung von Aus- und Neubauprojekten, die im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) definiert sind. Neben diesen drei Töpfen gibt es noch eine Reihe von Sonderprogrammen zur Förderung unterschiedlicher Themen, wie zum Beispiel die Elektrifizierung der Schiene oder mehr Lärmschutz.

Ausbauprojekte wie das der S-Bahn Köln werden häufig aus mehreren Töpfen finanziert, da es überschneidende Ziele und Maßnahmen zwischen dem Nah-, Fern- und Güterverkehr gibt. Die passenden Fördermöglichkeiten zu identifizieren und die Planungen so zu gestalten, dass sie auch förderungswürdig sind, sind die wesentlichen Herausforderung Trösser-Bergs und seiner Abteilung. Das macht ihn zum Herrn des Geldes für die SPNV-Ausbauprojekte. Die Bewältigung dieser Aufgaben setzt viel Expertise und Kreativität voraus. Bei jeder Maßnahme steht die Frage im Raum, welche Gelder von welcher Stelle in Anspruch genommen werden.

Bahnenthusiast mit Lebensziel

Man muss schon ein eingefleischter Bahnenthusiast sein, um in diesem Dickicht aus Finanzierungsfragen noch das große Ganze im Blick zu haben. Und ein Bahnenthusiast ist Trösser-Berg tatsächlich. Und nicht nur er. Auch seine Frau teilt diese Leidenschaft. „Meine Frau hat eine Modelleisenbahn. Die Leidenschaft dafür hab ich jetzt nicht so, aber ich begleite sie gerne auf die Messe Intermodellbau in Dortmund – aber mehr als Begleitschutz“, sagt Trösser-Berg mit einem Augenzwinkern. Seine größte Leidenschaft kann sie dagegen nicht teilen. Denn Trösser-Berg hat sich zum Lebensziel gesetzt, einmal alle Bahnstrecken in Deutschland abzufahren: „Diesen Traum habe ich schon, seit ich das erste Mal den Austria-Express gesehen habe, der zwischen Amsterdam und Klagenfurt unterwegs war und an meinem Heimatort Geldern vorbeigefahren ist.“ Derzeit hat er deutschlandweit schon etwa 60 Prozent aller Bahnstrecken abgefahren, das sind immerhin rund 30.000 Kilometer. „In NRW bin ich da schon etwas weiter. Da liegt meine Quote bei 95 Prozent.“ Ein regelrechter Quotenkiller war für Trösser-Berg die Wiedervereinigung. „Da kamen auf einen Schlag 14.000 Kilometer Schienenstrecke dazu – und meine Abdeckungsquote ist ins Bodenlose gefallen“, sagt er mit einem Lachen. „Aber dafür konnte ich viele schöne Bahnstrecken in den neuen Bundesländern kennenlernen.“ Und seine Lieblingsstrecken? „Schwierig, ob Hunsrückbahn oder die Alpenbahnen: Deutschland hat sehr viele schöne Strecken und ich hab sie ja noch nicht alle geschafft. Das abschließende Urteil hebe ich mir auf, bis ich sie alle gesehen habe.“

Gefördert werden nur Projekte mit einem positiven Kosten-Nutzen-Verhältnis

Wie sieht die Rolle von Trösser-Berg eigentlich konkret bei einem Ausbauprojekt wie der S 11 oder der RB 38/S 12 aus? Am Anfang eines jeden Projektes steht die sogenannte Grundlagenermittlung. Im Zuge derer erstellt Trösser-Bergs Abteilung in enger Zusammenarbeit mit der Planungsabteilung des NVR eine erste grobe Kostenschätzung. Die einzelnen Maßnahmen wie Bahnsteige, Weichen oder Signale bekommen mithilfe sogenannter Kostenkennwerte pauschale Preisschilder, die vom NVR zusammengerechnet werden. Damit geht der NVR in Person von Trösser-Berg auf das Land als Fördergeber für die Planungskosten zu und erkundigt sich, ob die benötigten Gelder zur Verfügung stehen. Gleichzeitig nimmt er Kontakt zum Bauherrn Deutschen Bahn (DB) auf und fragt, ob er mit den errechneten Geldern auskommt. Diese Position zwischen dem Land auf der einen Seite und der DB auf der anderen Seite nimmt die Abteilung Trösser-Bergs während der gesamten Laufzeit eines Ausbauprojektes ein. Als Vermittler sozusagen, der die Kosten und Ausgaben im Auge behält und überprüft, ob die Gelder wirklich für die Zwecke verwendet werden, für die sie bewilligt wurden.

Gibt das Land das Signal, dass die Gelder grundsätzlich vorhanden sind, wird das sogenannte Kosten-Nutzen-Verhältnis berechnet. Positiv und somit förderungswürdig ist ein Projekt dann, wenn der volkswirtschaftliche Nutzen die Kosten übersteigt. Dann kann ein Ausbauprojekt weitergehen. So geschehen bei der S 11 und der RB 38/S 12. Für diese und einige weitere Projekte wurden zwischen dem Land, dem NVR und der DB sogenannte Planungsvereinbarungen geschlossen, mithilfe derer das Land und der NVR aus Eigenmitteln Gelder für die weitere Planung zusagen. Die Gesamtplanungskosten für die S 11 werden auf 32 Millionen Euro beziffert.

Kostensteigerung bei Bahninfrastrukturprojekten fast nicht vermeidbar

Die Planungen sind in der Grundlagenermittlung noch sehr grob. Im Laufe des weiteren Projektverlaufs werden sie immer weiter verfeinert. Dabei kristallisiert sich nicht selten heraus, dass die ursprünglich erdachte Planung an der einen oder anderen Stelle so nicht ganz funktioniert. Das sind meist Faktoren, die erst bei einer detaillierten Planung deutlich werden. So geschehen am Kölner Hauptbahnhof. Durch die komplexen städtebaulichen Gegebenheiten vor Ort gestaltet sich die Erweiterung des Hauptbahnhofs um einen S-Bahnsteig planerisch deutlich komplizierter als während der ersten Grundlagenermittlung erkennbar war. Für die Lösung mussten deutlich mehr Planungsgelder verwendet werden als bisher gedacht.

Ausbauprojekte wie das der S 11 und das der RB 38/S 12 bestehen aus einem komplexen Maßnahmenpaket. Die weitere Verfeinerung einzelner Maßnahmen deckt häufig Handlungsbedarfe auf, denen man nur mit teureren Baumaßnahmen gerecht werden kann. Die daraus resultierenden Kostensteigerungen können für die Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, dass fehlerhaft geplant wird und es dadurch zu einer Kostenexplosion kommt. „Das stimmt so nicht, sondern liegt in der Natur der Sache“, betont Trösser-Berg. „Wir gehen maximal verantwortungsvoll mit den Steuergeldern um und ziehen kreative Lösungen so oft wie möglich teuren Baumaßnahmen vor“, stellt der 55-Jährige klar. So beim Ausbau der Erftbahn zur S 12. Durch die künftig höhere Geschwindigkeit der S 12 muss jeder einzelne Bahnübergang technisch gesichert werden, was ein enormer Planungsaufwand ist und viele Absprachen benötigt. Um teure Lösungen wie Brücken über die Gleisanlagen zu vermeiden, werden zur Zeit gemeinsam mit den Projektpartnern, der Stadt Bergheim und dem Rhein-Erft-Kreis, Lösungen gesucht, die die Verkehrssituation vor Ort nicht belasten und trotzdem für den Bahnverkehr funktionieren. Auch ist geplant, einige Bahnübergänge komplett zu schließen. Dabei sollen Straßen- und Bahnverkehr nicht gegeneinander ausgespielt werden. Kostensteigerungen können auch die Folge von Bürgerbeteiligungen sein. Im Zuge der Beteiligung zur S 11 haben sich Bürgerinnen und Bürger vielfach für eine flächendecke Barrierefreiheit entlang der Linie eingesetzt. Diesen Wunsch haben die Projektpartner in die Planung aufgenommen, sodass künftig alle Bahnsteige, an denen die S 11 hält, einen barrierefreien Einstieg ermöglichen.

Mit der Genehmigungsplanung muss die Planung soweit stehen, dass das Baurecht beim Eisenbahn-Bundesamt beantragt werden kann. Dieses prüft auf Grundlage einer aktualisierten Kosten-Nutzen-Rechnung die Planungen und gibt Grünes Licht oder schreibt Planungsanpassungen vor, ohne die kein Baurecht erteilt wird. Doch damit ist der Job von Trösser-Berg noch nicht beendet. Bis zum Projektabschluss muss er dafür sorgen, dass zu jedem Zeitpunkt des Projektes ausreichend Finanzmittel zur Verfügung stehen. Hektisch kann es beispielsweise nochmal während des Baus werden. Dann können sogenannte Änderungsanzeigen gestellt werden, wenn irgendetwas nicht passt. Beispielsweise durch Altlasten im Boden oder schwierige geologische Gegebenheiten. Das bedeutet manchmal Nachjustieren bei den Planungen, was wiederum höhere Kosten nach sich ziehen kann. Erst mit Prüfung der Schlussabrechnung, die die DB normalerweise ein halbes Jahr nach Fertigstellung der Baumaßnahmen stellt, ist ein Projekt für Trösser-Berg und seine Abteilung beendet. Und lässt er zum Abschluss eines solchen Projekts die Sektkorken knallen? „Ach, nö. Lieber arbeite ich an meiner Abdeckungsquote. Ich muss ja noch ein bisschen was aufholen“, schmunzelt Trösser-Berg.

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